Trotz Milliarden-Topf: Kassen leiden unter Politpfusch

Berlin, 9.3.2012: Chronisch krank ist sie, die Krankenversicherung. Gleich ob gesetzlich oder privat – Verordnungen und Gesetze je nach Windrichtung und Medienberichten tragen zum Niedergang der Versorgungsgüte der gesetzlichen Kassen (GKV) sowie zu steigenden Beiträgen bei den privaten Versicherern (PKV) bei. Die Schuldigen sind leicht auszumachen: die übereilten Notoperationen und politischen Schmerzpillen schwarz-rot-gelber Bundesregierungen. Andrea Fischer von den Grünen, die Rote Ulla Schmidt und dann die beiden Freidemokraten Rösler sowie Bahr versuchten sich eher im Stile von „Jugend forscht“ mit Sandkasten-Reförmchen als mit klaren Zielen oder Werten an der deutschen Volksgesundheit. Bei all diesem politischen Experimentiergehabe unter offenkundiger Missachtung des ministeriellen Fachverstandes der Spitzenbeamten gehen die oft nicht ganz ernstgenommenen Ressortchefinnen und –chefs von dem Irrglauben aus, daß die Wählerinnen und Wähler nicht merken, wenn ohne Herz und Verstand an ihrer Gesundheit gespart wird.

Der sogenannte Gesundheitsfonds als künstlich zwischengeschaltete zentrale Geldzählanlage hat die Kassen krank gemacht und greift gleichzeitig den gesetzlich Versicherten tief in die Taschen. Er ist eine CDU-Erfindung, die bei ihrer Vorstellung vor acht Jahren noch Kopfpauschale genannt wurde. Und er wurde gegen den Rat der Experten selbst aus dem eigenen Unionslager durchgedrückt. Horst Seehofer beispielsweise gab resigniert auf und warf seiner Chefin Merkel damals im Oktober `98 die Brocken hin. Angela Merkel wurde Kanzlerin und die Kopfpauschale durfte nicht mehr so heißen, sie wurde aber durch´s Hintertürchen mit der Expertise der damaligen Ministerin und gelernten Offsetdruckerin Andrea Fischer von den Grünen verwirklicht. Fischer hatte sich vorher als Mitglied der Gruppe Internationale Marxisten, der damaligen deutschen Sektion der Vierten Internationale, sicher nicht durch erwiesene Fachkompetenz beim damaligen Kanzler Schröder für das Amt aufgedrängt. Sie schuf eine Art Einheitsversicherung, an der insbesondere die privaten Kassen ihre bis heute andauende finanzielle Freude haben.

Das ebenso unerwünschte wie vorhersehbare Ergebnis: Die Zuzahlungen der Versicherten explodierten – als vorläufiger Höhepunkt erreichen diese nun bei der Zahnersatzversorgung gute zwei Drittel. Eigentlich müssten nun die Begriffe umgekehrt werden. Nicht mehr der Patient zahlt zu, sondern die Kassen gewähren einen kleinen Zuschuss zu den Dentalkosten. Auch die Hausärzte klagen mit Recht über ungerechte Honorare. Und sie leiden unter dem wachsenden Zwang, am medizinisch Sinnvollen sparen und eigentlich erforderliche Leistungen verweigern zu müssen. Inzwischen frohlocken die privaten Krankenversicherungen auch nicht mehr uneingeschränkt. Denn diese müssen im Gefolge unausgegorener oberflächlicher Reformen ein schnell wachsendes Heer zahlungsunfähiger Kunden versorgen, die zuvor bei den Gesetzlichen Versicherungsschutz fanden und nun ohne klare Rechtslage in der Luft hängen. Deren Schulden wachsen Monat für Monat ohne dass sie wirklich sinnvoll versichert wären. Rechnungen der Ärzte können sie zwar einreichen – diese werden jedoch nicht erstattet sondern gegen die Verbindlichkeiten verrechnet. Das ist nur ein Beispiel für die vielen Details, die auch Ulla Schmidt, immerhin volle acht Jahre für das Gesundheitsressort verantwortliche Ministerin nicht erkennen oder vorhersehen konnte. Fachkunde mit Abschätzungsvermögen für Ursachen und Wirkungen in einem komplexen Gesundheitssystem sind für bzw. Aktivistin im Kommunistischen Bundes Westdeutschland nicht zwangsläufig zu erwarten. Am ehesten ist in dieser Beziehung noch ein Heilungsansatz vom aktuellen Schadensverwalter Daniel Bahr zu erwarten, der als gelernter Master of Business Administration das Rüstzeug mitbringt, das auch sein Vorgänger, der ehemalige Stabsarzt der Bundeswehr und heutige Bundesminister für Wirtschaft und Technologie vermissen liess.

Dass die privaten Versicherer heute vor dem Nichtzahler-Dilemma stehen, hat eine Ursache darin, dass sie mit Lockvogel-Tarifen im private Krankenversicherung Vergleich erfolgreich um junge, gesunde Leute warben – und in der völlig lebensfremden Vorstellung, dass Medizinkosten per Gesetzgebung geregelt und begrenzt werden könnten. Auch das scheinbar riesige Finanzpolster von fast zwanzig Milliarden Euro, das die Gesetzlichen auf politische Weisung ihren Kunden abknauserten, ist da keineswegs ein Zeichen weiser Politik. Vielmehr unterstreicht dieser Milliarden-Hort die vollkommene Unfähigkeit, realitätsnah zu planen. Und auch dieses Geld wird schnell wieder ausgegeben sein, wenn der Name Sozialversicherung nicht zum Hohn verkommen soll.

Die drohende Drei-Klassen-Medizin aus gesetzlich schlecht Versicherten, privat Versicherten sowie Menschen, die durch das Netz der Privatversicherung fallen, muss endlich als das bezeichnet werden, was sie ist: als Pfusch. Kompetenter Handlungsbedarf ist dringend erforderlich. Politspiele mit dem höchsten Gut, der Gesundheit, sind kein Spass sondern brandgefährlich.

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